Bosnien und Herzegowina ist ein Land, das bis heute von den Folgen des Krieges von 1992-1995 geprägt ist. Unter anderem wirken die Gewalterfahrungen der Vergangenheit in den Schulen fort. Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation Progres bilden wir deshalb Lehrkräfte in Traumapädagogik aus, damit Schulen zu traumasensiblen Orten werden. Projektkoordinatorin Sanja Čović schildert in diesem Beitrag ihre Eindrücke aus dem Projekt.
Die Entscheidung, an einer Weiterbildung teilzunehmen, die Wissen über Trauma und die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen vermittelt, erfordert Mut. Besonders für Lehrerinnen und Lehrer, die selbst unter den Folgen des Krieges in den 1990er Jahren leiden, ist dies ein großer Schritt.
Viele von ihnen wissen, dass ihnen das nötige Wissen und die Fähigkeiten fehlen, um mit den eigenen unverarbeiteten Erfahrungen und den Geschichten ihrer Familien umzugehen. Unser Bildungsprojekt „Traumaorientierte Friedensarbeit“ hat deshalb 20 motivierte Fachkräfte aus dem Bildungs- und Sozialbereich zusammengebracht – Frauen und Männer, die an Schulen im ganzen Land arbeiten. Ihre Hintergründe sind vielfältig in Bezug auf ethnische Zugehörigkeit, Religion und persönliche Erfahrungen. Gerade diese Diversität und der gemeinsame Austausch über grundlegende Themen sind für jeden Einzelnen eine wertvolle Erfahrung und stärken die Gruppe als wichtige Ressource.
Ein herausragendes Beispiel ist die Arbeit in geteilten Städten wie Mostar: Erstmals kamen dort eine Pädagogin und eine Lehrkraft aus Grundschulen beider Stadtteile zusammen, dazu entschlossen, Veränderungen für sich und ihre Schulen zu bewirken. Sie betonten, dass sie fast 30 Jahre nach Kriegsende immer noch in einer gespaltenen Gesellschaft leben und arbeiten. Ihre Motivation kommt aus der Überzeugung, dass sie als Individuen mit ihren Erfahrungen positive Veränderungen anstoßen können, auch wenn das Bildungssystem weiterhin nach Ethnien trennt. Aus der gemeinsamen Teilnahme am Programm entstand trotz anfänglicher Schwierigkeiten eine enge Freundschaft und ein Projekt, das sie gemeinsam an ihren Schulen durchführen werden – ein wichtiger Schritt für die Zusammenarbeit der Bildungseinrichtungen in Mostar.
„Ich erinnere mich, dass ich zu Beginn meiner Arbeit dachte, dass ich nur durch Gespräche etwas erreichen könnte“, sagt Ana. „Heute weiß ich, dass ich viele andere Ressourcen habe, die ich bewusst einsetzen kann.“
Kollektive Traumata erfordern Heilung auf individueller und auf gemeinschaftlicher Ebene. In Bosnien und Herzegowina liegt noch ein weiter Weg vor uns. Doch das Anerkennen und Integrieren traumatischer Erfahrungen sowie die Nutzung vorhandener Ressourcen sind wichtige Schritte, die Hoffnung machen. Für Städte wie Mostar, in denen nun mehr pädagogische Fachkräfte im Umgang mit Traumata geschult sind, ist dies ein Hoffnungsschimmer für eine traumasensible Gesellschaft in der Zukunft.
Sanja Čović, Projektkoordinatorin, Verein „Progres“ Sarajevo (Bosnien und Herzegowina)