
Nach zwei intensiven Jahren findet unsere Weiterbildung in Psychotraumatologie in der Ukraine nun ihren krönenden Abschluss: 30 lokale Fachkräfte schließen im Dezember 2025 ihre Ausbildung ab. Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation, dem Kolpingwerk in der Ukraine, hatten wir diese Weiterbildung im November 2023 gestartet und damit auf den Mangel an qualifizierten Traumafachkräften reagiert. „Wir mussten nach Kriegsbeginn schnell lernen, mit traumatisierten Menschen zu arbeiten. Wir hatten kaum Zeit zu lernen, was das bedeutet. Es fehlten Wissen und praktische Instrumente. Die Weiterbildung war eine Möglichkeit, das nachzuholen.“
Wir blicken auf acht intensive Module zurück, die größtenteils in Präsenz in der westukrainischen Stadt Lwiw stattfanden. Der ressourcenorientierte Ansatz war ein zentrales Element der Weiterbildung, da die Teilnehmenden in ihrem Arbeitsalltag aufgrund von Angriffen, Luftalarmen und Stromausfällen mit unsicheren Bedingungen konfrontiert waren. Neben dem hohen Engagement war auch eine große Erschöpfung spürbar, die durch jahrelange intensive Arbeit ohne Pause entstanden war – ein Thema, das immer wieder zur Sprache kam. Die Seminare bedeuteten für viele auch „einen Ort zum Auftanken und Aufatmen, der es erlaubt aus dem Überlebens- in den Lebensmodus zu kommen“.
Die Gruppen- und Selbsterfahrung als Ressource
Eine Fortbildung unter Kriegsbedingungen zu gestalten, bedeutete, mit einer besonderen Realität umzugehen: Die Teilnehmenden begleiten in ihrer Arbeit täglich traumatisierte Menschen und tragen gleichzeitig eigene Kriegserfahrungen mit sich: Verluste, existentielle Ängste, Trennungen, die ständige Sorge um Angehörige an der Front oder um Kinder, die das Land verlassen mussten. Im Kontext kollektiver Traumatisierung wurde das Pendeln zwischen professioneller Rolle und Selbsterfahrung, zwischen Belastungen und Ressourcen, zum zentralen Element der Fortbildung. Dies stärkte auch das Gruppengefühl. Eine Teilnehmerin sagte dazu: „Ich habe mich verändert und das ist ein Verdienst der Gruppe. Ich habe die Prinzipien meiner Arbeit überdacht: Wie wichtig es ist, nicht nur die Techniken anzuwenden, sondern auch die Bindung, die Gedanken, die Emotionen und den Körper einzubeziehen.“
Wie es weitergeht
Eine Teilnehmerin äußerte im letzten Modul, dass sie das Gefühl habe, „jetzt erst mitten im und nicht am Ende des Prozesses zu sein“. Zur Gruppe gerichtet sagte sie: „Bleibt bitte weiter in meinem Leben. Lasst uns zusammen wachsen“. Damit die Gruppe weiter in Kontakt bleiben kann, werden wir im kommenden Jahr monatliche Online-Supervision anbieten. Außerdem sind wir in Gesprächen mit Geldgebern, die uns und unseren Partnern die Finanzierung einer zweiten Ausbildungsrunde in Aussicht gestellt haben.
Ähnlich wie nach dem Abschluss der letzten Weiterbildung in Zentralamerika waren sich auch in der Ukraine alle einig, dass die eigentliche Arbeit erst jetzt bzw. nach Ende des Krieges beginne: „Es reicht nicht aus, den Krieg zu beenden. Es ist wichtig, den Frieden zu organisieren. Genauso reicht es nicht aus, das Trauma zu bearbeiten. Es ist auch wichtig, wieder ins Leben zurückzufinden.“
Julia Borchardt (Projektkoordination Ukraine)








